Sternsinger: Gutachten zum Fall Pilz

© Kindermissionswerk

Beim Aachener Kindermissionswerk "Die Sternsinger" hat der frühere Präsident Winfried Pilz während seiner Amtszeit vermutlich keinen sexuellen Missbrauch an Minderjährigen begangen.

Das steht in einer externen unabhängigen Untersuchung der Kölner Rechtsanwältin und Mediatorin Bettina Janssen, die die Sternsinger am Donnerstag veröffentlicht haben.

Für Kindermissbrauch durch Pfarrer Pilz in der Zeit zwischen 2000 und 2010 gibt es demnach keine Anhaltspunkte. Allerdings hat man Hinweise gefunden auf sexualbezogene Grenzverletzungen durch ihn an vier erwachsenen früheren männlichen Mitarbeitern.

In den Ergebnissen der Untersuchung werde deutlich, dass Winfried Pilz über eine große Autorität und Machtfülle verfügt habe, die keiner wirksamen Kontrolle unterlag. Außerdem gab es damals für Mitarbeitende keine niederschwelligen Melde-, Beschwerde- oder Beratungsmöglichkeiten, um solche Missstände zu melden.

Dazu dokumentiert die Untersuchung auch, auf welche Schwierigkeiten und Hindernisse Aufarbeitung bis heute in der Kirche stößt. Sie enthält konkrete Empfehlungen für das Kindermissionswerk, die umgesetzt werden sollen. Weiter sind in der Untersuchung noch mehr Empfehlungen formuliert, die sich „nicht ausschließlich an das Kindermissionswerk, sondern an alle (richten), die sich mit der Problematik von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt beschäftigen.“

Die Untersuchung beleuchtet auch den Umgang von Pfarrer Pilz und der weiteren Leitung des Kindermissionswerks mit dem aus dem Bistum Aachen stammenden Missbrauchstäter Pfarrer Dieter Wintz. Es werde deutlich, dass von Seiten des Kindermissionswerks die ehrenamtliche Zusammenarbeit mit Wintz nach Missbrauchsvorwürfen schon im Jahr 2003 hätte beendet werden müssen. Dies sei aber erst 2006 geschehen.

Pfarrer Dirk Bingener (Foto unten), der aktuelle Präsident des Kindermissionswerks, bei der Übergabe des Gutachtens: „Mit dieser Untersuchung ist es Frau Dr. Janssen gelungen, ein genaues Bild des machtmissbräuchlichen Verhaltens von Winfried Pilz sowie der Faktoren zu zeichnen, die dies ermöglichten. Im Fall Dieter Wintz zeigt sie zudem auf, welche Versäumnisse diesbezüglich zu verantworten sind.“

Bingener betont weiter, dass die Feststellungen im Gutachten nun konkrete Schritte zur Folge haben müssten: „Aufarbeitungsgutachten schließen ja nichts ab, sondern sie fordern die Umsetzung notwendiger Veränderungen ein. So werden wir die Empfehlungen im Gutachten, beispielsweise die Entwicklung eines umfassenden Verhaltenskodexes für Führungskräfte und Mitarbeitende sowie die Überprüfung und den Ausbau von Beschwerde- und Meldewegen, zusätzlich zu unseren bestehenden Maßnahmen forcieren. Alle Empfehlungen fügen sich gut in die seit 2021 laufenden Modernisierungs- und Professionalisierungsprozesse des Kindermissionswerkes ein.“

© Antenne AC/Kindermissionswerk

Das Gutachten weist darauf hin, dass es mehr Personal in den Interventionsstellen der Bistümer braucht, eine engere und koordiniertere Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen kirchlichen Institutionen sowie weitere namentliche Aufrufe von Missbrauchstätern, damit Betroffene ermutigt werden, sich zu melden.

Bingener hebt in diesem Zusammenhang auch die weltkirchliche Perspektive hervor: „Wenn ein Täter weltkirchliche Kontakte hatte und Reisen unternommen hat, muss davon ausgegangen werden, dass es auch in den bereisten Ländern Betroffene geben kann. Ein wichtiger Schritt ist deshalb, die dort kirchlich Verantwortlichen über den jeweiligen Sachverhalt zu informieren“, so Bingener. In der Folge gehöre dazu auch die Unterstützung der Präventions-, Interventions- und Aufarbeitungsbemühungen vor Ort.


© Antenne AC/Kindermissionswerk

Im Zusammenhang mit dem kulturellen Vermächtnis von Winfried Pilz, insbesondere dem Lied „Laudato si“, wird das Kindermissionswerk aus Respekt vor allen Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, dieses Lied nicht mehr in seinen Materialien verwenden. Die bisherigen Erlöse aus den Tantiemen für die Nutzungsrechte des Liedes werden für Kinderschutzprojekte verwendet und sind dazu beim Kindermissionswerk in eine Rücklage gestellt.

Zum Hintergrund:

Das Erzbistum Köln hatte in einem öffentlichen Aufruf vom 29. Juni 2022 darüber informiert, dass sich der 2019 verstorbene Pilz vor seiner Amtszeit beim Kindermissionswerk in den 70er Jahren gegenüber einer schutzbedürftigen Person sexuell missbräuchlich verhalten hat. Der Fall Pilz wurde durch die Missbrauchsstudie des Erzbistums Köln dokumentiert. Ende Juni 2022 hatte das Erzbistum mögliche weitere Betroffene dazu aufgerufen, sich bei den unabhängigen Beauftragten des Erzbistums zu melden. Das Kindermissionswerk schloss sich dem Aufruf umgehend an.

Die jetzt vorliegende Untersuchung hat das Kindermissionswerk am 29. November 2022 in Auftrag gegeben. Start der Untersuchung war im Januar 2023. Eingeflossen sind Akten des Kindermissionswerks, digitale Quellen, Presseberichte sowie die Informationen aus der Kommunikation mit (ehemaligen) Mitarbeitenden und Führungskräften des Hilfswerks.

Das Kindermissionswerk hat sich verpflichtet, im Sommer 2024 die Öffentlichkeit darüber zu informieren, welche Empfehlungen bis dahin umgesetzt werden konnten.

Der gesamte, rund 130 Seiten umfassende Bericht der Rechtsanwältin und Mediatorin Dr. Bettina Janssen, Köln, kann HIER eingesehen werden.

Pfarrer Dirk Bingener, der aktuelle Präsident des Kindermissionswerks© Martin Steffen/Kindermissionswerk
Pfarrer Dirk Bingener, der aktuelle Präsident des Kindermissionswerks
© Martin Steffen/Kindermissionswerk