Netanjahu akzeptiert US-Plan zur Beendigung des Gaza-Kriegs

Netanjahu im Weißen Haus
© Alex Brandon/AP/dpa

Nahost

Washington (dpa) - Israel akzeptiert den Plan von US-Präsident Donald Trump zur Beendigung des Gaza-Kriegs mit der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. «Ich unterstütze Ihren Plan zur Beendigung des Krieges im Gazastreifen», sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Treffen mit Trump in Washington. Aus Kreisen der Hamas hieß es, die Terrororganisation habe den Vorschlag von den katarischen und ägyptischen Vermittlern erhalten. Demnach wollen die Islamisten den Plan «sorgfältig prüfen», ehe sie eine offizielle Antwort geben.

In Europa stieß der Plan auf Zustimmung - verbunden mit der Aussage, nun liege der Ball bei der Hamas. Bundesaußenminister Johann Wadephul sprach von einer «einmaligen Chance», die nicht vertan werden dürfe. «Alle, die auf Hamas Einfluss nehmen können, fordere ich dringend auf, dies jetzt zu tun», sagte der CDU-Politiker. Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte auf X, die Hamas habe «keine andere Wahl, als alle Geiseln unverzüglich freizulassen und diesem Plan zu folgen». Der britische Premierminister Keir Starmer betonte, Großbritannien rufe alle Seiten auf, mit der US-Regierung zusammenzuarbeiten, um die Vereinbarung abzuschließen und umzusetzen.

So sieht der 20-Punkte-Plan aus:

  • Ende der Kämpfe: Bei Zustimmung beider Seiten soll der Krieg sofort beendet sein - das israelische Militär soll sich auf eine «vereinbarte Linie» zurückziehen und alle Kampfhandlungen ausgesetzt werden. 
     
  • Geiseln und Gefangene: Innerhalb von 72 Stunden nach israelischer Zustimmung zu dem Plan sollen alle Geiseln (lebend oder verstorben) aus dem Gazastreifen zurückgeführt werden. Danach soll Israel rund 250 zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Gefängnisinsassen freilassen sowie etwa 1.700 nach dem 7. Oktober 2023 Inhaftierte. Für jede aus dem Gazastreifen zurückgeführte Leiche soll Israel 15 Leichen von Palästinensern in den Gazastreifen zurückführen. Nach israelischen Informationen sind von 48 Geiseln nur noch 20 am Leben.
     
  • Hilfsgüter: Unmittelbar nach der Annahme des Plans sollen umfassende Hilfslieferungen in den Gazastreifen gebracht werden. Wasser- und Stromversorgung sollen wiederhergestellt und Krankenhäuser instand gesetzt werden. Die Verteilung soll über die Vereinten Nationen und den Roten Halbmond sowie andere internationale, unabhängige Organisationen erfolgen. 
     
  • Menschen im Gazastreifen: Niemand soll zur Ausreise gezwungen werden; Ausreise und Rückkehr sollen auf freiwilliger Basis erfolgen. 
     
  • Rolle der Hamas: Die Hamas soll nicht an der Verwaltung des Gazastreifens beteiligt sein dürfen. Hamas-Mitglieder, die ihre Waffen abgeben und «friedliche Koexistenz» zusagen, können dem Plan nach Amnestie erhalten oder ausreisen. 
     
  • Übergangszeit: Israel soll den Gazastreifen weder annektieren noch dauerhaft besetzen. Das Gebiet soll zunächst von einer Übergangsregierung eines technokratischen palästinensischen Komitees verwaltet werden. Neben Palästinensern sollen internationale Experten in dem Komitee sitzen, das wiederum von einem «Friedensrat» mit Trump an der Spitze kontrolliert wird. Dem Rat sollen weitere Spitzenpolitiker angehören, etwa der ehemalige britische Premierminister Tony Blair. Eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) soll für Sicherheit sorgen und gleichzeitig palästinensische Polizeikräfte ausbilden. Blair bezeichnete den Plan als «mutig und intelligent». 
     
  • Wiederaufbau: Geplant sind ein international finanzierter «Trump-Plan zur wirtschaftlichen Entwicklung», Investitionen und eine Sonderwirtschaftszone, um Arbeitsplätze zu schaffen. Langfristig soll dies im Zusammenspiel unter anderem mit einem «interreligiösen Austausch» Frieden fördern und nach einer Reformierung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) eine Perspektive für einen palästinensischen Staat eröffnen.

Zur Rolle der PA sagte Netanjahu: Er schätze Trumps Haltung, «dass die PA ohne eine radikale und echte Transformation keinerlei Rolle in Gaza spielen kann.» Er betonte auch, eine Zivilverwaltung im Gazastreifen werde weder von der Hamas noch von der im Westjordanland herrschenden PA geführt.

Ob die Hamas dem Plan zustimmen wird, ist derzeit unklar. Die Islamisten lehnen bislang etwa eine Entwaffnung ab. 

Trumps «Riviera des Nahen Ostens» stieß auf scharfe Kritik

In den vergangenen Monaten waren verschiedene Vorschläge im Gespräch zur Frage, wie der Gazastreifen nach einem möglichen Kriegsende gesichert und verwaltet werden soll. Trump hatte in diesem Kontext die Idee ins Spiel gebracht, die Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen und die palästinensische Bevölkerung in Drittländer umzusiedeln, um Gaza in eine «Riviera des Nahen Ostens» zu verwandeln. 

Der Vorschlag stieß sowohl international als auch in den USA auf scharfe Kritik. Experten zufolge würde eine Vertreibung der Menschen aus dem Gazastreifen gegen das Völkerrecht verstoßen. In dem 20-Punkte-Plan hieß es nun dazu: «Niemand wird gezwungen werden, Gaza zu verlassen.» Diejenigen die gehen wollten, könnten dies tun und «auch wieder zurückkehren». Man werde die Menschen «dazu ermutigen», zu bleiben. 

Netanjahu: «dramatischer Fortschritt»

Netanjahu sagte in Washington, er glaube, «dass wir heute einen entscheidenden Schritt zur Beendigung des Krieges in Gaza machen und die Voraussetzungen für einen dramatischen Fortschritt im Frieden im Nahen Osten - und, wie ich denke, darüber hinaus in sehr wichtigen muslimischen Ländern - schaffen». Der Plan stehe in Einklang mit den Bedingungen Israels für die Zeit nach dem Krieg, sagte der israelische Regierungschef. 

Trump sagte mit Blick auf die Hamas: «Ich habe das Gefühl, dass wir eine positive Antwort bekommen werden.» Man sei sehr nah an einer Lösung dran.

Trump will Kontrollrat für Gazastreifen führen

Zum Plan des von ihm geführten «Friedensrates» als Kontrollgremium einer möglichen Übergangsregierung im Gazastreifen erklärte Trump, er zwar «sehr viel zu tun», doch sei es auf Wunsch arabischer und israelischer Führungspersönlichkeiten wichtig, dass er diese Rolle übernehme. 

Zusätzlich sollten dem Rat weitere Spitzenpolitiker «und sehr angesehene» Persönlichkeiten angehören, erklärte der Republikaner weiter. Netanjahu sagte: «Wenn dieses internationale Gremium nun Erfolg hat, haben wir den Krieg endgültig beendet.»

Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit, er wolle Netanjahu ein «Sicherheitsnetz» garantieren für den Fall, dass die ultrarechten Koalitionspartner jetzt aus Protest die Regierung verlassen. Die Hardliner in der Regierung sind gegen ein Ende des Krieges, solange die Hamas nicht zerschlagen ist.

UN will Trumps Gaza-Friedensplan unterstützen

Die Vereinten Nationen betonten ihre Unterstützung für die Bemühungen. «Die Vereinten Nationen stehen zur Unterstützung bereit, inklusive der Bereitstellung von humanitärer Hilfe», sagte ein UN-Sprecher in New York auf eine Frage nach dem Trump-Plan. 

Israel will Souveränität Katars nicht erneut verletzen

Während seines Treffens mit Trump telefonierte Netanjahu mit Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani. Israel hatte vor rund drei Wochen in dem Golfstaat die Hamas-Führung angegriffen. Netanjahu schloss bei dem Gespräch weitere Angriffe im Golfemirat aus. «Ich möchte Ihnen auch versichern, dass Israel nicht vorhat, Ihre Souveränität in Zukunft erneut zu verletzen», sagte Netanjahu. 

Israel bedauere, dass ein katarischer Staatsbürger bei dem Angriff getötet worden sei. «Ich möchte Ihnen versichern, dass Israel die Hamas ins Visier genommen hat, nicht Katarer.» Rechtsextreme Koalitionsmitglieder kritisierten die «unterwürfige Entschuldigung».

Katar ist ein wichtiger US-Verbündeter am Golf. Das Emirat vermittelt neben Ägypten und den USA im Gaza-Krieg. Katar hatte Israels Angriff scharf verurteilt. Kritik kam auch aus den USA.

Netanjahu lobte außerdem die Idee der US-Regierung, eine trilaterale Gruppe einzurichten, «um die offenen Streitigkeiten zwischen unseren beiden Ländern zu klären». Weitere Einzelheiten dazu nannte Netanjahu zunächst nicht.

Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani begrüßte die Zusicherungen. Medienberichten zufolge war die Versicherung Israels, niemals mehr Angriffe in Katar auszuführen ursprünglich der 21. Punkt des Plans. Dieser wurde nun in einem Dokument, das vom Weißen Haus veröffentlicht wurde, nicht mehr aufgeführt.

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Außenminister Wadephul in Polen
Auch Außenminister Wadephul begrüßt den Plan. © Michael Kappeler/dpa
Auch Außenminister Wadephul begrüßt den Plan.
© Michael Kappeler/dpa
Tony Blair wird 70
Der ehemalige britische Premier Tony Blair soll nach dem Willen Trumps einem «Friedensrat» angehören. (Archivbild)© Daniel Leal/Pool AFP/dpa
Der ehemalige britische Premier Tony Blair soll nach dem Willen Trumps einem «Friedensrat» angehören. (Archivbild)
© Daniel Leal/Pool AFP/dpa

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