Missbrauchs-Aufklärung: Bischof nennt Namen von Tätern

© Bistum Aachen/Andreas Steindl

Bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt durch Priester und andere kirchliche Beschäftigte geht das Bistum Aachen jetzt einen Schritt weiter. Bischof Helmut Dieser hat am Mittwochmittag die Namen von 53 Tätern und mutmaßlichen Tätern veröffentlicht.

Es handelt sich um 52 Priester und einen Laien, die alle inzwischen nicht mehr leben.

Das Bistum Aachen ist das erste Bistum in Deutschland, das diesen Schritt geht.

Mit der Namensveröffentlichung wolle man Betroffenen Mut machen, sich mitzuteilen, so der Bischof: „Mit der Nennung der Namen gehen wir dabei weiter voran. Wir stehen auf der Seite der Betroffenen und stellen uns den Verbrechen, die von Priestern und anderen in der Kirche Beschäftigten in der Vergangenheit begangen worden sind.“

Die Entscheidung, Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern zu veröffentlichen, sei ein weiterer Schritt im Zuge einer zielgerichteten und konsequenten Aufarbeitung. Dieser Entscheidung seien sorgfältige Beratungen und Abwägungen mit Unterstützung interdisziplinärer Fachexperten, dem Ständigen Beraterstab, der Unabhängigen Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenrat vorausgegangen. Im Ergebnis lägen jetzt klare und transparente Kriterien vor.

Veröffentlicht wurden demnach die Namen von Personen, auf die folgende Kriterien zutreffen:

Entweder liegt eine einschlägige staatliche oder kirchenrechtliche Verurteilung vor (dann wird die Person als „Täter“ bezeichnet), oder es gibt mindestens einen positiv beschiedenen Antrag auf Anerkennung des Leids von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) auf Bundesebene (dann wird die Person als „mutmaßlicher Täter“ bezeichnet).

Voraussetzung für eine namentliche Nennung sei aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes auch, dass die Person länger als zehn Jahre tot ist.

© Antenne AC

Diese Kriterien treffen auf insgesamt 53 Personen zu – 52 Priester und einen Laien. Die Veröffentlichung erfolge mit einer zeitlichen Einordnung der vorliegenden Beschuldigungen, bekannten Strafurteilen und einer tabellarischen Auflistung des beruflichen Werdegangs der jeweiligen Personen. Die bewusst reduzierte Darstellung der Sachverhalte diene vor allem dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und ihrem Recht auf Anonymität sowie der Wahrung der ihnen zugesicherten Vertraulichkeit. Auch eine Re-Traumatisierung von Betroffenen, insbesondere von solchen, die sich bislang nicht offenbart haben, soll durch die knappe Form der Darstellung vermieden werden.

„Wir handeln transparent, konsequent und umfassend. Kein Täter soll unentdeckt bleiben“, sagt Generalvikar Dr. Andreas Frick. „Unsere Kriterien greifen das Aufklärungs- und Informationsinteresse der Betroffenen auf und halten zugleich einer juristischen Überprüfung stand“, so der Generalvikar weiter. Kirchengemeinden, in denen Täter oder mutmaßliche Täter eingesetzt waren, besäßen jetzt die Möglichkeit, sich mit diesem Teil ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Betroffene und Gemeinden hätten einen berechtigten Anspruch auf Aufklärung und Information.

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Die Kirchengemeinden, in denen die Beschuldigten zum Tatzeitpunkt eingesetzt waren, sind informiert. Das Bistum Aachen unterstützt auch die Aufarbeitung vor Ort. Begleitend zur Veröffentlichung erhalten betroffene Kirchengemeinden ein breites Informations- und Beratungsangebot.

Betroffene, Angehörige und Zeugen können sich vertrauensvoll an die Hotline im Bistum Aachen (0241 452-225) wenden, um Missbrauch zu melden oder Hinweise zu geben. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen die Meldung entgegen, besprechen das weitere Vorgehen und informieren über Beratungsstellen und Hilfsangebote.

Eine Meldung kann auch online unter www.missbrauch-melden.de erfolgen. Alle Meldewege erfüllen die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen und werden vertraulich behandelt, können bei Bedarf auch anonym in Anspruch genommen werden.

Weitere Infos des Bistums zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt:

"Mit der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens durch die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl im November 2020 hatte das Bistum Aachen eine wichtige Zwischenetappe erreicht, um die systemischen Ursachen für Missbrauch im Bistum offenzulegen. Seitdem werden die sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen konsequent erarbeitet und umgesetzt. Eine Neuausrichtung der Priesterausbildung, ein konsequenter Einsatz bestehender Schutzkonzepte in allen Pfarreien und Einrichtungen sowie die weitere Professionalisierung von Intervention und Prävention sind nur einige Maßnahmen, mit denen das Bistum einer Systemik begegnet, die durch Klerikalismus und Co-Klerikalismus befördert worden war.

Per Ende September 2023 sind dem Bistum Aachen 267 Betroffene namentlich bekannt. 140 Betroffene haben einen Antrag auf Anerkennung des Leids gestellt. 131 Anträge sind davon durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen positiv beschieden worden. Die anderen werden noch bearbeitet. Im dritten Quartal sind vier neue Anträge gestellt worden. Rund 70 Prozent der Betroffenen sind männlich, 30 Prozent weiblich.

Seit Gründung des Bistums Aachen im Jahr 1930 sind 126 Täter und Beschuldigte bekannt. Darunter befinden sich 115 Kleriker (Pfarrer, Kapläne, Patres, Diakone) und Ordensschwestern. Elf Täter und Beschuldigte sind Nicht-Kleriker wie Erzieher, Hausmeister, Religionslehrer oder ehrenamtlich Tätige.

Das Bistum Aachen hat per Ende Juni dieses Jahres 2,355 Mio. Euro an Anerkennungsleistungen gezahlt, die von der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids beschieden wurden. Eine Höchstgrenze für Anerkennungsleistungen gibt es nicht.

Alle Informationen des Bistums zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Nennung von Tätern und mutmaßlichen Tätern findet man unter https://www.bistum-aachen.de/Aufarbeitung."