«Leinen los» ohne Kapitän: Nagelsmann will Tore, Tore, Tore

Abschlusstraining der Fußball-Nationalmannschaft
© David Inderlied/dpa

Fußball-Nationalmannschaft

Luxemburg (dpa) - Auch ohne seinen Kapitän Joshua Kimmich und die Abwehrsäule Nico Schlotterbeck rückt Julian Nagelsmann von seinem Plan nicht ab. Frust oder Unbehagen? Nein, in Luxemburg will der Bundestrainer am Freitag (20.45 Uhr/RTL) ganz souverän den Pflichtsieg für das direkte WM-Ticket einfahren. Und so blieb nach der Ankunft der Fußball-Nationalmannschaft im Großherzogtum sogar noch ein bisschen Zeit für Späßchen und Überraschungen. 

Jonathan Tah bekam via Pressekonferenz die Nachricht, dass er als Kimmich-Ersatz erstmals als Kapitän die DFB-Elf anführen wird. «Ich weiß gar nicht, ob er es schon selbst weiß - aber jetzt weiß er es», sagte Nagelsmann bei dem abendlichen Termin im Stade de Luxembourg und grinste. Der Münchner Abwehrmann habe sich die schwarz-rot-goldene Binde durch seine Leistungen und sein Auftreten im 42. Länderspiel verdient. 

Als rechter Außenverteidiger wird Ridle Baku das Kimmich-Backup sein. Für den am Fuß verletzten Schlotterbeck steht Waldemar Anton oder Malick Thiaw bereit. Die Entscheidung folgt am Spieltag, sagte Nagelsmann. Eine Tendenz wollte er nicht verraten.

Kimmich als Ratgeber gefragt

Damit waren alle Stellvertreterfragen geklärt. Und gerade der Ausfall von Kimmich wegen der lädierten Kapsel im rechten Sprunggelenk erledigt. Als emotionaler Anführer sei der 30-jährige in Luxemburg sowieso präsent. «Natürlich fehlt er, aber er ist trotzdem da», sagte der Bundestrainer. Kimmich, der mit nach Luxemburg flog, werde einfach in gewisser Weise mitcoachen. 

Kimmich hatte zuvor in einer Social-Media-Nachricht von der Krankenliege gegrüßt. «Leider vorerst mein Arbeitsplatz. Gebe alles, um am Montag wieder auf dem Platz zu stehen», schrieb er bei Instagram. Auf dem Foto sprach seine Mimik mit trotzig zusammengepressten Lippen Bände. 

Für das vorletzte Gruppenspiel in der WM-Qualifikation beim Underdog steht der Plan längst fest: «Leinen los, ein bisschen mehr Risiko!» Das hatte Nagelsmann für den vorletzten Schritt zum direkten WM-Ticket gegen das punktlose Gruppenschlusslicht Luxemburg als Motto ausgegeben. Sprich: Tore, Tore, Tore. Es winkt erstmals eine Vier-Spiele-Siegesserie für Nagelsmann als Bundestrainer. 

Mit einem hohen Sieg kann zudem die Ausgangslage für den Showdown gegen die Slowakei am Montag (20.45 Uhr/ZDF) weiter verbessert werden. Läuft in Luxemburg alles nach Plan, reicht in Leipzig ein Remis für Platz eins und die direkte WM-Teilnahme. Und dann sollen bestmöglich auch Kimmich und Schlotterbeck wieder dabei sein. 

Erster Ausfall seit Oktober 2023

Die Tragweite des Kimmich-Ausfalls zeigt allerdings ein Blick in die DFB-Chronik von Nagelsmann. 25 Spiele seit November 2023 war der Münchner immer dabei. Nur beim Debüt des Bundestrainers im Oktober 2023 fehlte er. Mit einem Infekt musste er damals vor dem Test-Doppelpack aus den USA nach Hause reisen. 

Bei Nagelsmann gilt: Kimmich spielt (wenn möglich) immer, ob als Sechser oder wieder wie zuletzt als rechter Außenverteidiger. Dort kann nun Baku von RB Leipzig sich für ein WM-Engagement empfehlen. Luxemburgs Trainer Jeff Strasser ließ der Ausfall beim Gegner auch unbeeindruckt: «Es wird ihn ein fast gleichwertiger Spieler ersetzen», sagte er.

Tah im Teamrat

Spannender, weil symbolträchtiger, war die Frage, wer die Kapitänsbinde von Kimmich übernimmt. Die Stellvertreter Antonio Rüdiger und Kai Havertz gehören nach Verletzungen nicht zum aktuellen Aufgebot. Auch die Teamräte Marc-André ter Stegen, Niclas Füllkrug und Pascal Groß fehlen. Tah ist der einzige aus dem Gremium, der präsent ist und bekam deshalb den Zuschlag.

Nach einer alten DFB-Regel hätte Leroy Sané aufrücken müssen, da er mit 70 Länderspielen die meisten hinter Kimmich (105) hat. «Ich habe diese Regel nicht gemacht», sagte der Bundestrainer und begründete so auch die Absage an Sané. Der 29-Jährige von Galatasaray Istanbul wurde von Nagelsmann nach einer Auszeit sowieso nur zur Bewährung ins Aufgebot zurückgeholt. 

Seine ungewöhnlichen öffentlichen Schelte am Montag («Viele Chancen hat er nicht mehr») erklärte Nagelsmann nochmal. Der Tenor: Alles nicht so schlimm. Sané war vorab über die Wortwahl informiert. Und der ehemalige Münchner habe von ihm schon «genug Liebe bis er knallt» bekommen. Diese Wortwahl hatte Matthias Sammer in einer Kritik an Nagelsmann zum Umgang mit Sané bei Sky gewählt. 

Bayern-Block wird zum Quartett

Durch Kimmichs Ausfall wird auch das so wichtige Bayern-Quintett aufgelöst. In Tah, Goretzka, Gnabry und Aleksandar Pavlovic verbleiben aber noch vier Münchner als DFB-Herzstück. Mit ihrer überragenden Club-Form sollen sie den DFB-Motor in Schwung bringen - eine weiß-blaue Fußball-Blaupause sozusagen. 

«Ich habe ja schon mal gesagt, dass ich als Nationaltrainer natürlich eine super Abhängigkeit habe vom Verein. Also es bringt nichts, eine gute Fantasie zu haben und Spieler einzuladen, die alle auf dem absteigenden Ast sind», sagte Nagelsmann. Die Bayern sind zu seinem Glück genau das Gegenteil. 

«Ich glaube, es ist grundsätzlich wichtig, mit Selbstvertrauen und mit Überzeugung an seine Aufgaben ranzugehen. Genau das Gleiche müssen wir hier auch machen», versprach Tah einen Form-Transfer zum DFB-Team. 

In Luxemburg wie in Paris

Die Gefahr eines Spannungsabfalls zwischen den unterschiedlichen Fußball-Bühnen vom Kräftemessen mit Paris Saint-Germain in der Champions-League und nun beim Weltranglisten-97. Luxemburg spürt er nicht. «Es ist die Pflicht, vor allen Dingen für Deutschland, für seine Nation, dieses Niveau abzurufen», sagte Tah.

Nagelsmann sieht auch die Pflicht für mehr Offensiv-Effektivität. Trotz der Siege gegen Luxemburg (4:0) und Nordirland (1:0), mit denen die Ausgangslage für die direkte WM-Qualifikation nach dem Fehlstart in der Slowakei (0:2) massiv verbessert wurde, war er mit dem Lust-Faktor auf Tore nicht zufrieden. 

«Ein bisschen zu träge», sei das Spiel gewesen, «ein bisschen zu viele Kontakte, ein bisschen zu viel so die Sucht nach Kontrolle, sage ich mal», konstatierte der Bundestrainer. In Luxemburg soll sein Team auch ohne Antreiber Kimmich entfesselt auftreten.

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Training der Fußball-Nationalmannschaft
Kapitän Kimmich fällt gegen Luxemburg aus. © Christian Charisius/dpa
Kapitän Kimmich fällt gegen Luxemburg aus.
© Christian Charisius/dpa
Abschlusstraining der Fußball-Nationalmannschaft
Florian Wirtz (l.) und Leroy Sané (r.) sind in der Offensive gegen Luxemburg gefordert. © David Inderlied/dpa
Florian Wirtz (l.) und Leroy Sané (r.) sind in der Offensive gegen Luxemburg gefordert.
© David Inderlied/dpa
Abschlusstraining der Fußball-Nationalmannschaft
Mit Teamarzt Hahne (2.v.l.) betritt Schlotterbeck (l.) den Trainingsplatz. © David Inderlied/dpa
Mit Teamarzt Hahne (2.v.l.) betritt Schlotterbeck (l.) den Trainingsplatz.
© David Inderlied/dpa
Pressekonferenz der Fußball-Nationalmannschaft
Nagelsmann bei der Pressekonferenz in Luxemburg.© Arne Richter/dpa
Nagelsmann bei der Pressekonferenz in Luxemburg.
© Arne Richter/dpa

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