Koalition: Versöhnliche Töne angesichts vieler Baustellen
Veröffentlicht: Montag, 25.08.2025 10:29

Bundesregierung
Berlin (dpa) - Spitzenpolitiker der schwarz-roten Koalition bemühen sich vor dem anstehenden Ringen um wichtige Reformen, mit versöhnlicheren Tönen als zuletzt den Boden für Gemeinsamkeiten zu bereiten. Der Ruf von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach harten Sozialreformen wird in der SPD öffentlich nicht überbewertet und lediglich als Zugeständnis an die eigene Parteibasis eingestuft. Auch Merz hatte bei seinem Auftritt auf dem CDU-Landesparteitag in Niedersachsen am Wochenende zu mehr Miteinander aufgerufen und dies ausdrücklich nicht nur an den Koalitionspartner, sondern auch die eigene Partei gerichtet.
Was die Sozialdemokraten sagen
«Merz‘ Aussagen zum Sozialstaat scheinen mir mehr Pflichtelement einer CDU-Parteitagsrede zu sein als alles andere», sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Montag). «In Wirklichkeit weiß auch er: Unser Sozialstaat ist eine zentrale Errungenschaft unserer Demokratie und das Fundament jener sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland stark gemacht hat.» Richtig sei, dass Deutschland wieder wirtschaftliches Wachstum brauche.
Ähnlich ordnet es der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, ein. Er berichtete beim Redaktionsnetzwerk Deutschland, Merz und er hätten bei einer Veranstaltung im Sauerland zusammen die Gemeinsamkeiten der Koalition betont. «Denn die außen- und innenpolitischen Aufgaben sind groß. Daran arbeiten wir permanent und wollen die Taktzahl in unserem Arbeitsmodus im Herbst noch weiter erhöhen.»
Andere in der SPD wie die Vizevorsitzenden Petra Köpping und Serpil Midyatli zeigen der Union in der «Bild»-Zeitung (Montag) eher den mahnenden Zeigefinger: «Sozialdemokraten haben in mehr als 160 Jahren einen starken Sozialstaat erkämpft. Das allein auf die Kassenlage zu reduzieren, wird es mit uns nicht geben», sagte Midyatli.
Was Merz gesagt hat
Merz hatte am Samstag beim CDU-Landesparteitag in Osnabrück gesagt: «Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.» Und: «Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag und was da alles kommt nicht irritieren lassen.» Er mache es den Sozialdemokraten bewusst nicht leicht. «Aber der Appell richtet sich an uns alle: Lasst uns zusammen zeigen, dass Veränderungen möglich sind, dass Reformen möglich sind.»
Auch der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU, Steffen Bilger (CDU), zeigt sich umgänglich und betont Übereinstimmungen stärker als Unterschiede. «Wir wissen in allen drei Koalitionsparteien, dass wir eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben und uns darum kümmern sollten, Probleme zu lösen und die richtigen Entscheidungen zu treffen», sagte er im Politico-Podcast «Berlin Playbook».
Zur SPD-Forderung nach Steuererhöhungen für Vielverdiener und Vermögende äußerte sich Merz in Osnabrück differenziert und schloss sie nur in einem Kernbereich aus: «Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben», sagte er - was mindestens formal keine generelle Absage an jegliche Steuererhöhung ist.
Was die CSU sagt
Allerdings baute CSU-Chef Markus Söder etwaigen anderen Erwägungen vor. Mit der CSU werde es «definitiv keine Steuererhöhungen» geben, sagte er im ARD-Sommerinterview. Das sei «erstens immer ein Rohrkrepierer, zweitens der falsche Weg, und würde doch jetzt, nachdem wir gerade Steuern gesenkt haben, alles wieder kaputt machen.»
Wie die Union sich vorbereitet
Zur Vorbereitung des anstehenden Ringens mit den Sozialdemokraten will Merz am Nachmittag mit den Spitzen der Union über die weitere Aufstellung im angekündigten «Herbst der Reformen» beraten. Dazu kommt er mit allen Unionsministern, dem Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Spitzenleuten der CSU im Kanzleramt zusammen. Dies verlautete aus Regierungskreisen, nachdem zuerst der Chefredakteur bei Table.Media, Michael Bröcker, darüber berichtet hatte. Es gehe um die inhaltlichen Themen der Koalition mit der SPD und die Kommunikation, hieß es.
Was ansteht
Am Donnerstag kommen die geschäftsführenden Fraktionsvorstände beider Koalitionspartner zu einer Klausurtagung in Würzburg zusammen. Zwei Tage lang sollen dann Wege zu Lösungen der anstehenden Probleme gesucht werden.
Die Arbeit der Koalition war - anders als anfangs versprochen - zuletzt stark vom Streit geprägt: zunächst über die ausgebliebene Senkung der Stromsteuer für alle, dann die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts und aktuell vor allem die Steuer- und die Sozialpolitik. Hauptproblem ist, dass die Ausgaben des Bundes und der Sozialversicherungen immer weiter wachsen und größer sind als die realen Einnahmen.
Nach dem Ende der Sommerpause sollen daher wichtige Reformprojekte in Angriff genommen werden. Wie die teils gegensätzlichen Positionen von Union und SPD dabei zusammenkommen sollen, ist bisher unklar. «Das wird für uns im Herbst eine anstrengende Arbeit», sagte Merz am Sonntag beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung.
