Israelische Schüsse gegen Diplomaten sorgen für Empörung

Nahostkonflikt - Dschenin
© Majdi Mohammed/AP/dpa

Nahost

Ramallah/Berlin/Brüssel (dpa) - Schüsse israelischer Streitkräfte in Richtung einer angemeldeten Delegation ausländischer Diplomaten im besetzten Westjordanland sorgen in der Europäischen Union für Empörung. Die Bundesregierung verlangte von der israelischen Regierung Aufklärung, wie es dazu kommen konnte: «Diesen unprovozierten Beschuss verurteilt das Auswärtige Amt scharf. Wir können von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert ist», sagte eine Sprecherin laut einer Mitteilung. 

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hatte zuvor mitgeteilt, dass bei dem Diplomatenbesuch die israelische Armee Schüsse in der Nähe der Delegation abgefeuert hatte. Das Außenministerium der PA verurteilte den Vorfall in der Stadt im Norden des Westjordanlands aufs Schärfste. Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte. Israels Militär sprach nach dem Vorfall von Warnschüssen und kündigte eine Untersuchung an.

Frankreich kündigt Einbestellung des Botschafters an

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte Israel nachdrücklich auf, den Vorfall zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. «Jegliche Bedrohung des Lebens von Diplomaten ist inakzeptabel», sagte sie.

Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot bezeichnete das Geschehen als «nicht hinnehmbar» und kündigte die Einbestellung des israelischen Botschafters in Frankreich an. Ähnliche Reaktionen kamen aus Ländern wie Italien, Spanien und Belgien.

Das Auswärtige Amt antwortete auf die Frage der dpa, ob wie in anderen Ländern der israelische Botschafter einbestellt worden sei: «Außenminister Wadephul hat heute direkt mit dem israelischen Außenminister telefoniert.»

Extrem angespannte Lage im Westjordanland

Der Vorfall in Dschenin verdeutlicht, wie gefährlich die Lage im von Israel besetzten Westjordanland ist. Angespannt ist sie seit langem – seit dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 hat sie sich noch verschärft. Seitdem wurden dort nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten mehr als 900 Palästinenser getötet. Zugleich gibt es verstärkt Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen palästinensische Zivilisten.

Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Israel hatte dort im Januar die größte Militäroffensive gegen bewaffnete Gruppierungen seit langem im Westjordanland begonnen. UN-Angaben zufolge mussten Zehntausende Menschen ihre Häuser in den betroffenen Gebieten verlassen. 

Belgien: Fahrzeuge der Delegation waren klar zu erkennen

In der Stadt gibt es auch ein Flüchtlingslager – nach Medienberichten waren die ausländischen Diplomaten in Dschenin, um es zu besichtigen und sich über die humanitäre Lage vor Ort zu informieren. 

Auch ein deutscher Diplomat und ein Fahrer aus dem Vertretungsbüro Ramallah seien Teil der Delegation gewesen, teilte das Auswärtige Amt mit. Die Gruppe sei in Koordinierung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und der israelischen Armee unterwegs gewesen. 

Nach Angaben des belgischen Außenministers Maxime Prévot war die Delegation aus rund 20 Diplomaten in einem Konvoi von etwa 20 deutlich erkennbaren Fahrzeugen unterwegs.

Israel: Diplomaten-Konvoi wich von Route ab

Israels Militär teilte mit, die Delegation sei von einer zuvor genehmigten Route für den Besuch von Dschenin abgewichen und habe ein Gebiet betreten, in dem sie sich nicht hätten aufhalten dürfen. Israelische Soldaten hätten Warnschüsse abgegeben, um die Menschengruppe auf Distanz zu halten, hieß es weiter.

Nachdem sich herausgestellt habe, dass es sich um die Diplomaten handelte, habe die Armee eine Untersuchung eingeleitet. Es solle mit Vertretern der von dem Vorfall betroffenen Länder gesprochen werden. Sie sollen über die Ergebnisse der Untersuchung informiert werden. Die Armee betonte in der Mitteilung, die «entstandenen Unannehmlichkeiten» zu bedauern.

Auswärtiges Amt: Diplomaten als unabhängige Beobachter unverzichtbar

Das Außenministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) bezeichnete den Vorfall als einen «eklatanten und schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht».

Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes betonte: «Die unabhängige Beobachterrolle der Diplomatinnen und Diplomaten vor Ort ist unverzichtbar und stellt in keinster Weise eine Bedrohung für israelische Sicherheitsinteressen dar.» Die israelische Regierung müsse die Unverletzlichkeit von Diplomatinnen und Diplomaten respektieren.

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