Ex-Kraftwerk-Mitglied vertont Stummfilm-Klassiker neu
Veröffentlicht: Dienstag, 09.01.2024 15:38

Die StädteRegion Aachen wird Zeuge einer kulturellen Weltpremiere: Im Alsdorfer Energeticon wird am 10. Februar erstmals die Neuvertonung des Stummfilmklassikers "Das Cabinet des Dr. Caligari" bei einem Live-Konzert aufgeführt.
Dahinter steht der Musiker und Komponist Karl Bartos, der von 1974 bis 1990 festes Mitglied der Formation "Kraftwerk" war, den Pionieren der elektronischen Musik.
Das Konzert in Alsdorf ist eine öffentliche Generalprobe und Vorpremiere, die offizielle Premiere steigt dann Ende Februar in der Alten Oper in Frankfurt am Main.
Die Leiterin der Stabsstelle Kultur der StädteRegion Aachen, Dr. Nina Mika-Helfmeier, sagt, es sei ihr "eine außerordentliche Freude, dass wir diesen Weltstar für die Vorpremiere seiner neusten Inszenierung gewinnen konnten“.
Das Konzert ist in gewisser Weise auch Aufwärmprogramm für die städteregionalen Kulturtage, die statt dem bisherigen Kulturfestival im Juni gebündelt in einer Stadt – in diesem Jahr in Alsdorf – stattfinden.
Tickets für das Konzert sind ab dem 10. Januar für 15 Euro HIER erhältlich.
Weitere Infos der StädteRegion dazu:
Zum Film:
Wie kaum ein anderer Streifen revolutionierte der Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“ 1920 das internationale Kino. Im Mittelpunkt steht die Geschichte um den Hypnotiseur Caligari, der sein Medium Cesare tagsüber als Jahrmarkt-Attraktion ausstellt, nachts jedoch zum Mord anstiftet. Der junge Franzis versucht diesen Horror aufzuklären, gerät aber selbst in die Verstrickungen dieser wirren und surrealistischen Geschichte. Neben der düsteren Handlung begeistert ganz besonders die Kulisse, welche sich als expressionistisches Kunstwerk begreifen lässt: Grotesk verzerrt wirkt das Bühnenbild, gänzlich übertrieben die kontrastreiche Beleuchtung. Kein Wunder, dass popkulturelle Größen wie David Bowie oder Tim Burton von diesem Meisterwerk des 20. Jahrhunderts beeinflusst sind.
Zu Karl Bartos:
Karl Bartos schrieb mit Kraftwerk Musikgeschichte. Die Gruppe prägte mit ihren elektronischen Kompositionen einen neuen Sound, der bis heute unvergessen ist. Seit langer Zeit ist er fasziniert vom Kino-Klassiker Dr. Caligari: „Es ist so eine Sache mit diesem Film. Egal wie oft man ihn anschaut, er bewahrt sein Geheimnis. Wer hier wahnsinnig ist und wer nicht, ist und bleibt eine Frage der Interpretation“, so der Musiker. Aus der Beschäftigung ergaben sich für Bartos musikalische Fragestellungen: Wie hätte der Film geklungen, wenn es bereits in den 1920er Jahren die Möglichkeit gegeben hätte, einen Film mitsamt Tonspur zu produzieren. Und wie lässt sich diese Lücke heute schließen? Als „Sounddesign und erzählende Filmmusik“ charakterisiert Karl Bartos seine Neuvertonung des expressionistischen Stummfilmes. Er näherte sich zunächst über die Geräusche, die der Film selbst vorgibt. Beispielsweise die Stimmen, das Rascheln der Blätter oder das Jahrmarkttreiben – um sich im nächsten Schritt mit der Frage auseinanderzusetzen, wie eine eigenständige Musikebene gestaltet sein könnte. Da die orchestrale Fassung der Originalmusik, komponiert von Giuseppe Becce, bis heute verschollen ist, gab es keinerlei Orientierung für Bartos. Er stellte sich dieser Herausforderung und kreierte eine ganz eigene, zeitgenössische Interpretation des Dr. Caligari. Orchesterinstrumente und klassische Partituren wechseln sich ab mit elektronischen Kompositionen. Derart entstehen eigenwillige, originelle und zeitlose auditive Motive, die perfekt mit den cineastischen Bildern korrespondieren. Der komplette Soundtrack wird auf CD, Vinyl und digital veröffentlicht.
Karl Bartos studierte an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf, spielte an der Deutschen Oper am Rhein und in mehreren experimentellen Ensembles, bevor er 1974 von Kraftwerk zu deren Autobahn-U.S. Tournee (1975) eingeladen wurde. Zwischen 1974 und 1990 war er Mitglied und Co-Autor der Band und wirkte an folgenden Plattenveröffentlichungen mit: Radio-Aktivität, Trans Europa Express, Die Mensch-Maschine, Computerwelt, Tour de France, Techno Pop, The Mix. Nachdem er die Gruppe verlassen hatte, komponierte er unter anderem mit Bernard Sumner (New Order), Johnny Marr (The Smiths) und Andy McCluskey (OMD) neue Popmusik und lehrte von 2004 bis 2009 als Gastprofessor Auditive Mediengestaltung an der Universität der Künste Berlin. Seit den neunziger Jahren veröffentlichte Karl Bartos auch Soloplatten u.a.: Esperanto 1993, Electric Music 1998, Communication 2003 und Off the Record 2013. 2021 wurde Karl Bartos als Mitglied des Classic line-up mit dem Early Influence Award / Kraftwerk ausgezeichnet und in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen. Seine Autobiografie „Klang der Maschine“ (Eichborn) erschien 2017 in Deutschland und wurde in der Übersetzung „The Sound of the Machine – My Life in Kraftwerk and Beyond“ 2022 in Großbritannien und den USA von Omnibus Press veröffentlicht, im November 2023 als Taschenbuch.